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Schützenkönig musste blechen

Presseartikel

TRADITION – Die Schützenzunft Penzlin absolviert seit jeher Übungen, Ausmärsche und Feste, die bei den Bürgern beliebt sind. Manches ist aus der Kleinstadt überliefert.

InMecklenburgistnichts als Sand und Luft, alles bisauf den Erdboden verheert; Dörfersind mit krepiertem Vieh besät, dieHäuser voll toter Menschen, derJammer ist nicht zu beschreiben.“Diese Zeilen schrieb 1638 derschwedische General Johann vonBander. Der Dreißigjährige Krieg(1618–1648) hatte Mecklenburg inein ödes und verarmtes Land ver-wandelt, und viele Schützenzünftehatten an Bestand verloren. Mit Si-cherheit gab es schon etwas Ähnli-ches wie eine Schützengilde vordiesem Krieg in der Stadt Penzlin.Dokumente oder Urkunden diedies belegen könnten, sind jedochwährend des Krieges, spätestensbeim großen Stadtbrand 1725 ver-nichtet worden. Allein in denArchiv-AktendesMecklenburg-Schwerinschen Ministeriums desInnern ist vermerkt: „Die Schützen-zunft in Penzlin wurde am 8. Mai1688 von Bürgermeister und Ratwieder aufgerichtet und mit einerneuen Zunft-Rolle ausgestattet.“ Ineiner Urkunde heißt es, dass dieSchützen-Kompanie schon vor „un-denklichen Jahren als ein zulässi-ges, ehrliches Bürger-Exercitium(Übungen) gehalten, die alhie in ho-hen Aestim (Ansehen) aber seit diegroße Pest dort gewesen und dieStadt abgebrannt, in Verfall gera-ten sei.“Die Stadtbürger schlossen sichnach dem Dreißigjährigen Krieg inMecklenburg wieder zu Schützen-gilden zusammen, die das Schie-ßen mit der Feuerwaffe übten. Esdauerte jedoch noch einige Jahre,bis 1745 der Mecklenburgische Her-zog Carl Leopold der Stadt Penzlindas Privileg einräumte, eine Schüt-zenrolle beim herzoglichen Amt zubeantragen. Diese war nichts ande-res als ein Dokument, das vor je-dem Schützenfest beim Amt inSchwerin eingereicht und von die-sem bestätigt werden musste. Nachdem Nordischen Krieg (1700–1721)und dem Siebenjährigen Krieg(1756–1763) war die Nachfrage inden mecklenburgischen Städtennach einer Schützenzunft so groß,dass Herzog Friedrich von Mecklen-burg-Schwerin 1776 eine Patentver-ordnung erließ, die im Land ver-teilt wurde. So heißt es unter § 1:„Es soll niemand der Schützen-zunft einverleibet werden, dernicht ein ehrlicher Mann und kei-nem offenbaren Laster ergeben;sondern von gutem Gerücht, auchwenigstens von so viel Mitteln ist,dass die Schützen-Zunft ihrer Ge-bührniss bei ihm versichert seinkann, und ein solcher gibt zum An-tritt zwei und dreißig Schilling.“Am Ende der vielen Bestimmun-gen und Regeln wurde noch ein-mal auf „pünktlichste Beobach-tung der vorgeschriebenen Statu-ten“ hingewiesen. War es schonmit einigen Kosten verbunden, inder Zunft Mitglied zu werden, sostiegen die Ausgaben besonders fürden Schützenkönig. In einem Proto-koll von 1776 heißt es unter ande-rem: „ … davon ist der König schul-dig zu geben drey Gerichte, als eineFleischsuppe,eingutGerichtFisch, und ein Stück Rindfleisch,wie auch Butter, Brot;ingleichen auf 20 Per-sonen eine halbe Ton-ne Bier, und a Person 2Glas Branntwein.“Auch die Schützen-zunft Penzlin hattesich an die Regel zuhalten. So war nebendemSchützenkönigder Kassenwart die wichtigste Per-son beim jährlichen Königschie-ßen. Peinlichst genau wurden Ein-nahmen und Ausgaben sowie Rech-te und Pflichten der Teilnehmerschriftlich festgehalten und ansherzogliche Amt nach Schwerin ge-leitet. Die beim Kassenwart ver-wahrten Schützenrollen und derSchriftverkehr mit dem Amt gebenheute einen Eindruck von derStruktur der Schützenzunft Penz-lin. So musste jedes Mitglied jähr-lich 26 Schilling Beitrag zahlenund hatte die Uniform auf eigeneKosten zu besorgen. Der Schützen-könig bekam von der Zunft 16 Ta-ler, 36 Schilling und drei Pfennigals einmalige Zahlung. Diese Ehren-gabe wurde später in einen silber-nen Löffel umgewandelt. Von derKämmerei der Stadt bekam er diePacht einer Wiese im Wert von vierTalern. Von den vier Talern hatteder Schützenkönig eine Denkmün-ze anfertigen zu lassen, die ans „Kö-nigsschild“ angebracht wurde. Die-ses Schild, das vom jeweiligen neu-en König getragen wurde, stammteaus dem Jahr 1776. Es wurde ausden silbernen Platten gegossen, diedamals die Schützenkönige an dieKönigskette anbringen lassen muss-ten. Auf dem Schild waren dasMecklenburger Wappen und dieNamen der Schützenkönige eingra-viert. Als das Schild durch die vie-len angehängten Silberstücke zuschwer wurde, nahm man einigeab und verteilte sie auf die Schilderdes alten Schützenkönigs und desEhrenschützen.Beim traditionellen Ausmarschdurch die Stadt wurden dem Schüt-zenkönig zwei Streumädchen zurSeite gestellt. Heimatdichter Lud-wig Karnatz schrieb: „Un dreiSchritt vörup vör den König tweilütt teigenjährige Mäkens – deStreujungfers – ganz in Witt vonKopp bet tau Fäuten un mit rodeSleufen in dat utkämmt Hor. Diestreuen ut nüdliche Blaumenkörw’ümmertau Rosenbläder up denKönig.“AufdemGrund-stück des Hotels „Gol-dene Krone“ wurde1820 das Erste Schüt-zenhaus in Penzlin er-richtet. Bereits 1836wieder verkauft, fiel es1914einemBrandzum Opfer. Die Veran-staltungen der Schüt-zenzunft fanden danach in ver-schiedenen Lokalen statt. 1843 wur-de am Wall eine Schießbahn miteinem Schießhaus gebaut. Da dieAnlage recht ungeschützt lag, ver-legte man das Schießhaus später indie Nähe des Damswerder und ließhier eine neue Schießbahn von et-wa 130 Metern anlegen. Seit 1924befand sich auch der Schützen-platz auf dem Damswerder. DasSchützenfest war Tradition und inder Bevölkerung hoch angesehen.Es verwundert nicht, dass mancheAnekdote heute noch erzählt wird:In de Penzhäger Stadtschaul fragteoll Rekter Walter eins Hanning Be-ckers un tippte ehr dorbi mit sinenknäkerigen Finger up den hellblon-den Scheitel: „Johanna Becker, nen-ne mir die drei höchsten christli-chen Feste!“ Un frisch von de Lewerweg antwurt’te em de lüstige twölf-jöhrige Dirn’: „Weihnachten, Königsschuss und Herbstmarkt!“Heute haben die Vereine undZünfte sportlichen und geselligenCharakter. Den Höhepunkt bildetdas jährliche Schützenfest, wo der Schützenkönig erkoren wird.

Quelle: Nordkurier, 25. Oktober 2010