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Zur Geschichte des Schützenwesens in Neubrandenburg (III)

In den Jahren von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des 1. Weltkriegs 1914 war die Neubrandenburger Schützenzunft mit 2 Schießvereinen eine fest etablierte bürgerliche Institution der Stadt, deren Wirken zum Gesellschaftlichen Leben wesentlich beitrug.
Jährlich wurden Königsschießfeste mit Königsehrung, Konzert und Schützenball veranstaltet, dem Landesherren, „SR. Königlichen Hoheit dem Großherzog“ wurde jeweils anlässlich seines Geburtstages im Juli ein Fest mit Schießwettbewerben gewidmet, im August begab man sich gewöhnlich samt Familien ganztags zum fröhlichen Ausflug in die schöne Neubrandenburger Umgebung.

Die Schützen nahmen als Gäste an Feiern anderer Schützenzünfte Mecklenburgs teil. Mitglieder der Schützenzunft waren Handwerksmeister, Kaufleute und kleine Unternehmer. Aber die Anzahl der Mitglieder kam in 10 Jahren kaum über die 70 hinaus. Es wurde junger aktiver Zuwachs gebraucht. Also wurde auf der Generalversammlung 1912 die Satzung dahin gehend verändert, dass jeder Aufzunehmende im Vollbesitze der bürgerlichen Ehrenrechte, selbstständig und volljährig sein soll. „Das Wort ,selbstständig’ in diesem Absatz für die Zukunft gestrichen sein und damit auch Personen, die sonst ehrenhaft und volljährig sind, Gelegenheit geboten werden soll, der Zunft als Mitglieder beizutreten.“

Die Öffnung der Schützenzunft für eine breite Mitgliedschaft brachte ihr neuen Aufschwung So wurde 1913 mit dem Bau einer neuen Schießanlage am Stargarder Berg, in den Tannen begonnen. Diese Schießbahnen mit Schießhalle sollten den damals modernsten Ansprüchen genügen. Der beim Bau mengenmäßig hohe Kiesabfall wurde auf einer eigens geschaffenen Schienenlorenbahn ins Werderbruch transportiert, um dort damit Promenadenwege und möglichen Baugrund zu schaffen. Bei nötigen Sprengarbeiten am neuen Schießgelände gab es im Herbst 1914 sogar einen Unfall. Der leitende Ingenieur verletzte sich erheblich nach einer Fehlzündung.

Im Juni 1914 wurde der neue Schießstand (252m Länge) mit einem Königsschießfest, auf dem Bäcker Meiser Wendt die Königswürde errang, feierlich eingeweiht. Mit Beginn des ersten Weltkrieges stellte die Schützenzunft in Neubrandenburg ihre Aktivitäten ein. Es ist aus Neubrandenburg auch nicht bekannt, ob hier, ähnlich wie 1916 aus Neustrelitz gemeldet, eine Schießausbildung für Jugendliche mit abschließender Prüfung durch einen Schießverein aufgenommen wurde.

Erst ab 1921 tritt die Schützenzunft wieder in die Öffentlichkeit – und gleich wieder mit einem Paukenschlag. Ein dreitägiges großes Schützenfest wurde veranstaltet. Der neue Kapitän, Malermeister Robert Tietböhl, hatte sich ein tatkräftiges Festkomitee gesucht, das gemeinsam mit etlichen Mitstreitern ein gelungenes Fest organisierte. Alle Schichten der Bevölkerung wurden angesprochen und beim Mitmachen einbezogen, so dass dieses Schützenfest ein wirkliches Volksfest wurde, obwohl aus der Stadtverwaltung nicht nur Wohlwollen kam.

Auch die Kinder schlossen sich der Schützenzunft an. Für sie gab es nicht nur Karussell, Losbuden, Zaubertricks, Geschicklichkeitswettbewerbe, sondern erstmals auch die Möglichkeit Schützenkönig beim Preisschießen nach der Scheibe und Schützenkönigin beim Vogelstechen zu werden. Erstmals gab es bei den Schützenehrungen statt Sachpreisen Medaillen. Den krönenden Abschluss des großartigen Festes bildeten ein farbenfreudiges Feuerwerk und ein fröhlicher Ball. Das Sommerfest der Schützenzunft wurde in den nächsten Jahren zur Tradition und zu meist mit einem sozialen Ziel, wie z.B. Spende für das städtische Altenheim, verbunden. Das Schützenfest wurde nun großes Volks – und Kinderfest der Schützenzunft genannt.

Eine weitere Neuerung erwies sich für die Zunft in Zeiten finanzieller Knappheit als nützlich: Arbeitseinsatz am festgelegten Sonntag. So konnte im Mai 1925 eine neue Schießhalle mit gut gestalteter Anlage eingeweiht werden. Der Zulauf zur Schützenzunft nahm zu. Der Kapitän Tietböhl, aber auch andere Vorstandsmitglieder, wie Dr. Hemberger verstanden es, alle Mitglieder, aber auch breite Teile der Stadtbevölkerung in ihre Pläne einzubeziehen. So wurde das 225 jährige Jubiläum der Schützenzunft zu einer wahren Jubelfeier der Schützen und der Stadt. Die Neubrandenburger und Gäste aus zahlreichen Schützenvereinen der beiden Länder Mecklenburg und der Uckermark  und Pommern erlebten an 3 Tagen eine farbenfroh geschmückte Stadt, einen prächtigen historischen Umzug, eine eindrucksvolle Fahnenweihe auf dem Marktplatz, hervorragend organisierte Schießwettbewerbe, würdevolle Ehrungen der besten Schützen, Tanz an allen 3 Abenden, buntes Treiben an Vergnügungsständen und Musik auf dem lichtumfluteten Festplatz.

In diesem Jahr nahmen die Schießübungen in den Schützenvereinen bedeutend zu. Auch das Kleinkalieberschießen als Freizeitsport entwickelte sich. Die Leistungen der Neubrandenburger Schützen waren beachtlich. Das zeigte sich in Wettkämpfen innerhalb der Zunft, aber auch bei Schießveranstaltungen im Land. Ein Zeitungskommentar vom Oktober 1925 hebt hervor: „Wir wünschen der Neubrandenburger Schützenzunft, dass sie in ihren Schießleistungen so weiter übt, wie in den letzten beiden Jahren, dann können die Kameraden sich auf jedem großen Schießen im Deutschen Reich sehen lassen, was die Zunft in beiden Mecklenburg ja schon mehrfach bewiesen hat. Dann wird das Sprichwort „Üb Aug und Hand fürs Vaterland“ richtig zur Geltung kommen.“

Aus der Schützenzunft der Vorkriegszeit – eher einer biederen Handwerkervereinigung ähnelnd – war nun ein großer Verein mit hohen sportlichen Ansprüchen und vielfältigem Engagement im Leben der Stadt geworden. Es ist also nur folgerichtig, dass die tüchtige Neubrandenburger Schützenzunft im Juni 1927 das 21. Mecklenburger Landesschützenfest, das gleichzeitig das 60 Jährige Bestehen des Mecklenburger Schützenbundes ehren sollte ausrichten wird.

Dazu waren jedoch noch umfangreiche Veränderungen an den zwar guten, aber für dieses Ziel nicht ausreichenden Schießständen nötig. In einer Meldung vom 2. Dezember 1926 wird ausgeführt: „zu diesem Fest müssen jedoch noch mehrere bauliche Veränderungen vorgenommen werden, besonders der 300 Meter Stand verursacht der Zunft noch große Kosten. Weiter muß ein Pistolenstand gebaut werden. Da der Kleinkalibersport jetzt immer mehr gepflegt wird, will die Zunft zu diesem Fest mehrere Stände herrichten, und sollen auch besondere Stände freigegeben werden für Jungschützen; diese sollen ohne große Kosten für die Festkarte zu zahlen ( welche für das Schießen auf die Festscheibe berechtigt ), hier schießen können. Mit den Erdarbeiten wird, sofern es die Witterung gestattet, noch in diesem Winter begonnen werden. Daß die Einwohner Neubrandenburgs die Zunft bei dieser Arbeit tatkräftig unterstützen werden, dessen ist sich der Vorstand bewusst, da doch ein so großes Fest für die Geschäftswelt immerhin große Einnahmen bringt.“

Da mit diesem großen und aufwändigen Vorhaben die Finanzen der Zunft äußerst belastet wurden, fielen die übrigen Festaktivitäten in 2 Jahren verständlicherweise sehr eingeschränkt und sparsam aus. Dafür wurde das 21. Mecklenburger Schützenfest vom 18. bis 22. Juni 1927 in Neubrandenburg ein glänzender Erfolg. Die „Mecklenburger Rundschau“ berichtete mehrfach in umfangreichen Artikeln über das grandiose Fest, unterstrich die Erfolge der Arbeit der Neubrandenburger Schützenzunft, an denen der 1. Schützenmeister des Landes, Robert Tietböhl, und der Landesschützenmeister, Fritz Hemberger einen besonderen Anteil haben. Aber auch die Neubrandenburger gesamte Bevölkerung wurde für ihre außerordentliche Einsatzfreude gelobt. „25 der modernsten Schießstände, versehen mit den neusten, technischen Anlagen, Lichtsignalen usw.“, sind fertiggestellt, kann der festgebende Verein mit frohem Stolz melden. Das trotz der geldarmen Zeit geschaffen zu haben, zeugt von einer inneren Kraft, die weit über gelegentliche Festfreude, und wenn sie noch so nachhaltig ist hinausgeht.“

Aber es wird dem Betrachter dieser für die Schützenzunft so erfolgreichen Jahre auch etwas deutlich. Immer stärker wird das Schützenwesen politisiert. Deutsch nationale Gedanken durchziehen die Festreden und Veröffentlichungen. Kriegsvereine werden einbezogen, die Glorifizierung des Schießsports als „vaterländischer Wehrsport“ nimmt zu. Der Schießsport insgesamt wurde als Breitensport gefördert und entwickelt. Es entstanden ein Kleinkaliberschießverein mit einer eigenen Schießanlage in Broda und eine separate Jungschützenabteilung in der Schützenzunft. Die Ausübung des Schießsports war nun durch Baulichkeiten und Organisation auch in den Wintermonaten durchgängig möglich.

Es gab auch weiterhin die traditionellen Veranstaltungen und Feste, jedoch – sicher bedingt durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten um und nach 1930 – in viel bescheidenerem Ausmaß als zuvor. Noch vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 bricht die Berichterstattung über Wirken und Erfolge der Neubrandenburger Schützenzunft ab. Es ist aber sicher, dass auch andere Vereine und Organisationen, rasch von den Nazis „gleichgeschaltet“ wurde, das heißt, die Zunft wurde aufgelöst bzw. ging in Organisationen und Strukturen der neuen Machthaber des Staates über.

Alle Zitate entnommen dem Archivmaterial, gesammelt von H.-W. Mucha, H. Michaelis und H.- J. Pape Ein Beitrag von Schützenschwester Gisela Zehrt

Fotografie SV-Vier-Tore

Einweihung der Neubrandenburger Schützenzunft

Fotografie SV-Vier-Tore

Dreitägiges großes Schützenfest

Fotografie SV-Vier-Tore

Neubrandenburger Schütze